Stadt Bochum. Internetredaktion
Eine deutlich größere Zielgruppe als diese beiden Hochschuleinrichtungen hat die Stadt Bochum, in der ca. 365.000 Menschen leben. Hier ist Herr Müller* (Name geändert) in der Internetredaktion der Stadtverwaltung tätig. Er ist schon lange damit betraut. Seit 1995, also seitdem die Stadt Bochum im Internet präsent ist, kümmert er sich um deren Internetauftritt.
Er ist Teil eines kleinen Teams aus mehreren Verwaltungsangestellten, die mit der täglichen Pflege und Instandhaltung der städtischen Webseiten betraut sind. Ohne das Okay seiner Abteilung werden keine Veränderungen auf der Webseite vorgenommen. Die Inhalte gestalten jedoch weder er noch sein Team alleine. Redaktionelle Tätigkeiten stehen hier klar im Vordergrund. Abteilung X schickt die Inhalte, die online veröffentlicht werden sollen, an die Redaktion. Hier prüfen Müller und sein Team diese, geben im Zweifelsfall Rückmeldungen, nehmen selbstständig kleinere Veränderungen vor und arbeiten dann die Inhalte über das Content-Management-System auf die Webseite ein. Hier gibt es klare Verantwortlichkeiten und professionelle, verwaltungstypische Kommunikations- und Organisationsprozesse.
Abbildung 24- (eigenes Foto)
Das Rathaus der Stadt Bochum ist der Sitz der Stadtverwaltung
Obwohl sich Müller seit mehr als 25 Jahren hauptberuflich mit der Internetseite auseinandersetzt, ist er kein klassisch ausgebildeter Informatiker oder Programmierer. Ebenso ist er auch kein gelernter Journalist oder Redakteur. Müller ist Diplom-Verwaltungswirt und hat sich seine Kenntnisse durch seine lange Berufserfahrung hinweg selbst angeeignet. Noch gibt es im gesamten Team keine Person mit einschlägiger Informatikausbildung, doch soll sich dies bald, laut Aussage von Herrn Müller, ändern, worauf er schon jetzt gespannt ist. Gestalterische Fragen werden in der Redaktion in Kooperation mit einer privaten Kommunikationsagentur behandelt. Diese nimmt verschiedene Aufgaben entgegen, präsentiert der Redaktion einige Vorschläge von denen diese dann einen wählt.


“Keiner ist [studierter Informatiker]. Wir sind also alle von der redaktionellen Seite. Die [Kollegen] haben im Prinzip alle die gleiche Ausbildung wie ich. Teilweise gibt es dann auch noch Leute, die [Verwaltungsangestellter] gelernt haben. Die haben also nicht studiert. Wir haben aber demnächst erstmalig einen Bachelor of Science, der also Informatik bei unserer Zentralen Datenverarbeitung studiert. Da bin ich sehr gespannt. Sowas hatten wir noch nie. Aber das kann auch nicht schlecht sein."

Mehrsprachigkeit
Auf das Themenfeld der Mehrsprachigkeit hin angesprochen, betont Müller, dass die Webseiten der Stadt Bochum mithilfe des Google Übersetzers, der in die offizielle Stadtwebseite integriert ist, mit einem Klick übersetzt werden könnten. Zwar sei dies gerade in der Anfangszeit oftmals problematisch gewesen, da es des Öfteren zu unkorrekten, bisweilen auch zu unsinnigen Übersetzungen gekommen sei. Herr Müller sieht sich jedoch gerade in verschiedenen Rückmeldungen seitens beispielsweise des Integrationsrates der Stadt Bochum von der Entscheidung den Google Übersetzer zu verwenden gestärkt. Er habe sich mittlerweile stark in seiner Leistung verbessert, so Müller.
Abbildung 25- Bochumer Webseite in englischer Sprache

“Wir setzen den Google Translator jetzt seit ungefähr 4 Jahren ein. In der Anfangszeit muss man sagen, gab es oft auch sehr lustige Übersetzungen. Und einfach auch sinnfreie, um das mal ganz offen zu sagen. Aber das hat sich in der letzten Zeit sehr geändert. Immer wenn es uns möglich ist, bitten wir Muttersprachler über die Seite zu gucken. (...) Und die Ergebnisse; da muss man sagen, dass es grammatikalisch manchmal noch nicht ganz so toll ist. Aber ich denke mal, da kommt es ja auch nicht darauf an. Hauptsache, die Leute, die das lesen, (...) verstehen, worum es geht. Ich denke, wenn wenn das rüber kommt, haben wir sehr viel erreicht.”



Wir wollten wissen, welche Sprachen man denn benutzen würde, stünde der Google Übersetzer nicht zur Verfügung. Spontan nennt uns Müller, dass wahrscheinlich Türkisch, Arabisch und Englisch angeboten werden würden, seien dies doch Sprachen, die in Bochum viele Bürger:innen beherrschten.

“Also Englisch auf jeden Fall. Bei den anderen Sprachen sicherlich Türkisch und Arabisch. Ich denke, das wären die Sprachen, die wir genommen hätten und wahrscheinlich auch noch Französisch. (...) Aber das sind natürlich alles Mutmaßungen, weil wir haben den Google Translator und sind da an und für sich auch glücklich mit.”



Es zeigte sich im Gespräch, dass gerade fehlende Sprachkenntnisse und der mit einer Übersetzung verbundene Aufwand die hauptsächlich ausschlaggebenden Gründe sind, warum sich für diese automatisierte Lösung entschieden wurde. Zudem, so Müller, ließen sich somit auch sämtliche der mehr als 45.000 verschiedenen Seiten der Stadt Bochum relativ schnell und einfach übersetzen.

“Es ist ja so, dass wir den den Google Translator in unserer Seite eingebunden haben. Bei der Masse der Seiten ist es einfach nicht möglich, die Seiten kontinuierlich übersetzen zu lassen. Und dann ist natürlich auch die Frage, in welchen Sprachen außer Englisch machen Sie das? Nehmen Sie jetzt Arabisch? Oder nehmen Sie dann Türkisch? Oder Französisch? Das ist einfach nicht machbar.”



Neben dem Umgang mit Fremdsprachen sind für ihn auch andere Fragen, die sich mit Sprache auseinandersetzen, Teil eines Zusammenhangs von “Sprachbarrieren”. Dies umfasst etwa. die Frage nach der Verwendung geschlechtersensibler Sprache. Dieses Thema dürfte zurzeit, neben der Diskussion um die Verwendung von als politisch unkorrekten oder verletzenden Begriffen, eine der am stärksten gesellschaftlich diskutierten Fragen rund ums Thema Sprache darstellen. Müller erzählt uns, dass sich hier für die Internetredaktion vor allem das Dilemma stellte, zwischen Inklusivität (und Sensibilität für geschlechtliche Vielfalt) und der Lesbarkeit beziehungsweise Einfachheit von Texten wählen zu müssen. Insbesondere der Umstand, dass viele Screenreader für sehbehinderte Menschen noch nicht in der Lage sind das so genannte Gendern mit Asterisk (zum Beispiel Bürger*innen) oder mit Doppelpunkt (zum Beispiel Bürger:innen) korrekt vorzulesen, oder die Tatsache, dass gerade für Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen und nur auf einem maximal mittlerem Sprachniveau beherrschen, solche Eingriffe zu größeren Schwierigkeiten des Verstehens von Texten führen können, waren hier Anliegen, die auch im Austausch mit der städtischen Gleichstellungsstelle in der Internetredaktion von Müller behandelt wurden. Zuvorderst sollen somit nun geschlechtsneutrale Begriffe (beispielsweise Mitarbeitende oder Studierende) verwendet werden, um mögliche Probleme der Asterisk- und Doppelpunktformen von vornherein zu umgehen.
Die so genannte “einfache Sprache” oder “leichte Sprache” fällt für Herrn Müller ebenfalls unter Phänomene, die dazu dienen sollen Sprachbarrieren auf den Internetseiten der Stadt Bochum zu beseitigen. Hierbei räumt er allerdings auch ein, dass aus seiner Sicht an dieser Stelle noch ein gewisser Nachholbedarf vorliegt.
Abbildung 26- Bochumer Webseite in einfacher Sprache

“Man muss ja einem relativ schwierigen und komplexen Inhalt oder Sachverhalt muss man ja möglichst einfach darstellen. Das ist A in der Navigation, dass man das auch findet und irgendwo da hinkommt, aber dann ist es natürlich auch sprachlich. Wobei wir versuchen, uns möglichst. Ja, wie soll ich sagen normal auszudrücken, verständlich auszudrücken? Allerdings hapert es bei uns noch ein wenig mit der einfachen Sprache. (...) Und da sind wir aber auch bei, dass wir das in den nächsten Jahren sukzessive ausbauen, das wird aber nicht so sein wie in Form des Google Translator, dass wir jede Seite übersetzen lassen kannst, sondern wir werden unsere Dienstleistungen darauf hin untersuchen, welche die meist geforderten oder meist gesuchten Dienstleistungen sind und die werden halt in einfacher Sprache zur Verfügung gestellt. Ist jetzt in manchen Bereichen schon. Es gibt zum Beispiel Wohngeld, gibt schon in einfacher Sprache. Viele Ministerien bieten das hier auch an und wenn die eine Dienstleistungen anbieten, warum sollen wir die neu machen? Dann wird darauf verlinkt. Ich meine, das ist ja im Internet vom ersten Tag an so gewesen, wenn einer was besser kann, dann sollte man besser dahin verlinken, als wenn man es selbst versucht.”



Wie schon bei den Webseiten der Ruhr-Universität werden auch für die Verwaltung der Webseiten der Stadt Bochum Content-Management-Systeme genutzt. Diese setzen den Administratoren natürlich konkrete Grenzen bei der Gestaltung und Strukturierung der Webseiteninhalte. Des Weiteren ist zu beachten, dass diejenigen, die bei der Erstellung der Texte, die dann auf der Homepage veröffentlicht werden, mitwirken, zumeist nicht über ein gewisses redaktionell-texterisches Rüstzeug verfügen, das sie befähigt gute, sprachlich einfache und verständliche Texte zu verfassen. Dies sei einfach bei dem Arbeits- und Organisationsablauf unvermeidlich, so Müller. Zwar gäbe es diesbezüglich Hinweise zur Orientierung seitens der Redaktion, doch gelegentlich zeige sich, dass diese nur unzureichend beherzigt werden würden. Er ist sich in seiner Arbeit bewusst, dass die Zielgruppe seiner Webseite hochgradig unterschiedlich ist. Aber allen könne man es eben auch nicht Recht machen. Er verweist jedoch auch auf Aspekte der Webseite, die in seiner Meinung, zu einer besseren Nutzbarkeit beitragen.

“Es gibt also durchaus [Nutzer], die wollen einfach ihr Anliegen auf der ersten Seite finden. Und man kann eine Verwaltung mit ihren zu bestimmt 2000 Dienstleistungen nicht auf der ersten Seite abbilden. [Der] eine Sucht die Anmeldung, [der] andere die Abmeldung, [der] nächste den Führerschein, [der] andere den Angelschein. Das können Sie nicht machen. Jetzt habe ich ja schon gesagt ist das A und O eine gescheite Suche und eine gescheite Struktur. Aber ich denke, wenn ich das Feedback richtig interpretiere, dass wir also schon recht nutzergerecht sind. Sicherlich gibt es überall noch Verbesserungsbedarf. Aber grundlegend sind wir eigentlich zufrieden.”

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